Samstag, 18. April 2015

Sind wir am Ende selbst die Trolle?

Trolle, Hetzkampagnen, Hatespeech... Ein allzu bekanntes Thema im Netz, leider und immer wieder. Zu Hatespeech hat Leitmedium übrigens gerade gestern was geschrieben. Die Idee zu diesem Text hier entstand allerdings bereits davor, ich frage mich im Moment nämlich, ob ein Teil des Problems nicht wir selbst sind. Eine kleine Reflektion zum Wochenende...

In letzter Zeit sind mir gehäuft Situationen aufgefallen in denen sich Menschen, die ich kenne, online so ganz anders verhalten als im direkten Gespräch. Zumindest kommt es mir so vor, vielleicht nehme ich ihre Online-Äußerungen nur ganz anders war, weil mir Stimme, Tonfall, Mimik und Gestik fehlen, um das Gesagte in den richtigen Kontext zu setzen. Jedenfalls liest sich einiges von ihnen wirklich extrem trollig.

Da gibt es zum Beispiel Leute, die im Alltag schon auch eine Menge Bemerkungen und "Witze" fallen lassen, die unter die Gürtellinie gehen oder gezielt provozieren sollen. Meistens sorgt dann aber die Stimmung oder der hochironische Tonfall dafür, dass ich das Gesagte nicht für bare Münze nehme oder zumindest nicht für so bedenklich einordne, wie ich es von den reinen Worten her wahrscheinlich manchmal tun sollte. Kommen die gleichen Kommentare von den gleichen Personen aber online, wirken sie wesentlich härter, böser und *istischer und die Verwendung von diskriminierenden Begriffen lässt sich nicht mehr so leicht weg ignorieren. Würde ich nur das Online-Leben dieser Personen kennen, würde ich sie ganz klar als Trolle, Hater, Maskus einsortieren, so aber bin ich immer wieder hin und her gerissen.

Andere Menschen sind live die liebsten überhaupt und man kann stundenlang mit ihnen über über Dies und Jenes quatschen und sich über das Leben und gemeinsame Interessen austauschen, ohne dass einem irgendetwas negativ aufstoßen würde. Zurück in der Online-Welt aber fallen einem auf einmal Kommentare als abfällig oder abwertend, Fragen als zu direkt oder gar übergriffig auf. Liegt es an der verknappten Sprache und dem Mangel an Kontext? Oder überspielt der Real Life-Kontext die Trolligkeit dieser Personen nur?

Ein dritter Fall sind Personen, die im normalen Alltag sehr "normale" Gespräche führen oder sogar eher zurückhaltend sind, während im geschriebenen Wort online alle Kommunikation sofort sexualisiert wird, mal auf einer locker-leichten flirtigen Ebene, mal richtiggehend derbe und belästigend.

Übrigens, bevor jetzt alle versuchen, herauszulesen, wen ich mit diesen Charakterisierungen meine: Ich habe für jedes Beispiel nicht eine konkrete Person im Kopf, sondern mehrere, deren persönliche Verhaltensweisen sich hier mischen. Entschlüsselung zwecklos, es geht mir auch hier nicht um einen Pranger, sondern eher um allgemeine Fragen.

Wie verändert die Online-Kommunikation unser Verhalten? Reden wir wirklich online anders und nimmt Online uns nur die schützenden Filter? Sind die ganzen Trollkommentatoren, Hater, Maskus, Aluhüte und Pegidisten am Ende keine armen Irren, sondern ganz "normale" Leute, Kollegen, Nachbarn, Freunde gar? Sind wir in Wahrheit alle irre? Wird meine eigene Art der Online-Kommunikation von anderen als ebenso nervig, provokant, trollig wahrgenommen, wie ich es oben beschrieben habe? Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, in Zukunft noch genauer zu überlegen, ob und wie ich Dinge kommentiere. Ist der Kommentar nur für mich selbst lustig? Dann reicht es auch, ihn zu denken und ich muss ihn anderen nicht zur - gegebenenfalls falschen - Interpretation hinstellen. Wir haben sicherlich alle schon erlebt, wie missverständlich Schreiben sein kann, selbst zwischen Leuten, die sich sehr gut kennen. Das sollte man immer im Hinterkopf behalten. 

Ich werde darauf sicherlich noch eine Weile herumdenken und mich und andere beobachten und hinterfragen und möchte Euch ermutigen, das auch zu tun. Nicht "Don't feed the trolls!" - denn manchmal muss man seinen Mund aufmachen, aber "Don't be the trolls!", nicht einmal unbeabsichtigt.

2 Kommentare:

  1. Interessantes Thema!

    Mein verschwöhrungstheoretisches Gebrummel unterscheidet sich nicht von dem Gebrummel, was ich ins Internet Schreibe. Nur dass ich es im RL nur von mir gebe, wenn jemand den Fehler macht, das Thema anzuschneiden.

    Also, ich denke, wir sind ein Teil des Problems, nämlich von jedem Problem überhaupt (sofern wir davon touchiert werden jedenfalls)! Aber hier ist einsicht möglicher Weise der erste Schritt zur Besserung...

    AntwortenLöschen
  2. http://www.patheos.com/blogs/rockbeyondbelief/2013/11/06/what-the-social-justice-warriors-need-to-understand/

    AntwortenLöschen